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AKTUELLES

AutorenbildThies Thiessen

Wahlen vor Ort gewinnen: “Die etwas andere Kampagne”

Ein Leitfaden für den Wahlerfolg



SGK-Seminar in der  Gustav Heinemann Bildungsstätte
Thies Thiessen erläutert die Kernpunkte der "Etwas anderen Kampagne" in einem Seminarraum der Gustav Heinemann Bildungsstätte


| Ein Wort vorweg:


Wahlen zu gewinnen fällt unserer Partei manchmal leicht (“Willy-Wahl” 1972: 45 % bei 91 % Wahlbeteiligung) und manchmal etwas schwerer (Landtagswahl SH 2022: 16 %). Da empfiehlt sich eine sorgfältige Analyse. Ein Grund mag sein: Wir nehmen uns und unsere Themen zu wichtig, vernachlässigen dabei die Frage, was dem Bürger nützt und ihm ein komfortables Leben ermöglicht. Dies gilt besonders für die Daseinsvorsorge in unseren Kommunen. Abweichend von den uns bekannten Wahlkampfkonzepten ist „die etwas andere Kampagne“ daher von folgenden vier Grundsätzen geprägt:


  1. strikter Bezug auf unsere Gemeinde mit konkreten örtlichen Themen

  2. Perspektivenwechsel: Wir lauschen dem Bürger die Themen ab

  3. Konzentration der Kampagne auf 3-4 Favoriten

  4. Andere Visualisierung: corporate identity, Team statt Köpfe, besondere Aktionen


Das Wahlprogramm

Grundlage auch für die „etwas andere Wahlkampagne“ ist zunächst ein stinknormales Wahlprogramm, so wie wir es schon immer diskutiert und aufgeschrieben haben.

Dieses klassische Wahlprogramm gibt uns die Grundlage und Sicherheit für unser kommunales Handeln. Bei unserer Wahlkampagne spielt dies jedoch nur eine passive Rolle, wirkt nicht nach außen. Wir sind also weiterhin „sprechfähig” , wissen in allen kommunalen Themen Bescheid, konzentrieren uns jedoch auf nur wenige Themen. So sparen wir viel Kraft, Zeit und Geld für unsere neue Kampagnenform.


Strikter örtlicher Bezug

Kommunalpolitik ist konkretes Handeln vor Ort mit Themen, die allein den Interessen unserer Bürger dienen. Der Bürger erwartet zu Recht, dass das kommunale Geschehen, das aus dem Rathaus für ihn gestaltet wird, ihm und seinem tagtäglichen Leben nützt. Kommunale Daseinsvorsorge ist dabei die Grundlage für den Lebensstandard und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft.


Dabei kann der Bürger mit allgemein Aussagen „für gute Bildung“ oder „für mehr Radweg“ wenig anfangen. Die Favoriten unserer Wahlkampagne werden daher so ausgewählt, dass möglichst viele Bürger in der konkreten Erfüllung dieser Forderungen für sich und unsere Gemeinde Erfolg und Fortschritt sehen.


Der Perspektivenwechsel

Eine entscheidenden Schritt zur anderen Kampagne folgt nun: Wir treten aus unserem eigenen kommunalen Rahmen heraus und blicken mit dem Auge des Bürgers auf die kommunalen Dinge, die uns alle bewegen.


Dazu bedienen wir uns der Technik des Interviews. Zu zweit (einer befragt, der andere dokumentiert) besuchen wir (nach Voranmeldung) Meinungsführer in unserer Gemeinde, die gerade nicht unbedingt sozialdemokratisches Gedankengut in sich tragen und die für eine persönliche oder allgemeine Interessenlage stehen (Pastor, Lehrer, Arzt, Künstler, Unternehmer…). Anzahl der Interviews: ca. 20.


Von diesen Leuten lassen wir uns erzählen, welche Dinge für sie in unserer Gemeinde wichtig sind. Dabei hören wir zu und schreiben auf, keine Selbstdarstellung, keine Diskussion. Vermutlich hören wir ganz andere konkrete Themen als unsere eigenen. Die Interviews wollen gut vorbereitet sein. Am besten üben wir die Interviews in einem Rollenspiel. Ergebnis: 100-120 Themen


Aufbereitung der Themen: von 120 auf vier Favoriten

Die im Interview gewonnenen Themen werden nun in drei Schritten auf unsereFavoriten für die Kampagne „eingedampft”:

  • Doppelnennungen, Eintagsfliegen und Steckenpferde fliegen raus. Es bleiben 60-80 Themen.

  • Konzentration auf 10 Kernthemen: Bestimmung durch Punktevergabe: Jeder im Team vergibt 3 × 3 verschiedenfarbige Klebepunkte (rot: liegt mir am Herzen, grün: eigene Kompetenz, schwarz: besonderes Bürgerinteresse). Kumulieren ist zulässig. Dabei sollten bei allen Themen alle drei Farben vertreten sein.

  • Die Ermittlung der 3-4 wahlentscheidenden Favoriten bildet ein Rollenspiel. Hierfür definieren wir die n Wählergruppen, die wir ansprechen wollen (wohlhabende Senioren, Unternehmer, Bildungsbürger, Familien mit Kindern, neue Bürger, Erstwähler). In unserem Team werden nun diese Gruppen gebildet, die sich in die Lebenssituation der jeweiligen Wählergruppe hineinversetzen. Die Gruppen spielen dann nach dem Prinzip “Champions League“ entsprechend ihrer Interessenlage die Kernthemen gegeneinander aus, werben für die eigenen Themen und neutralisieren den Wert der anderen Themen. Das Ergebnis wird in eine Hitlisten-Matrix übertragen und entsprechend mit 1-10 Punkten priorisiert.

  • Die einzelnen Gruppen-Ergebnisse werden in eine Gesamtmatrix übertragen, so dass am Ende unseres Auswahlprozesses 3 Favoriten für alle Gruppen und somit die gesamte Gemeinde übrig bleiben. Platz 4 ist für den „Lucky Looser”, unterbewertet und doch ein wichtiges Thema.

Kreativität bei Slogan und Subtext

Die 3-4 Favoriten werden nun kampagnentauglich bearbeitet. Hierin liegt die Kreativität, die unsere Wahlkampagne von der der anderen Parteien unterscheidet.


Von der Qualität, von der Kürze, vom Witz, kurzum von der Prägnanz dieser Textbausteine lebt unsere Kampagne. Darum müssen wir für diese kreative Arbeit genügend Zeit einplanen, die Entwürfe sacken lassen, das Ergebnis überschlafen und daher mehrere Sitzungen einplanen.


Die Beispiele in Klammern im folgenden Text stammen aus der sehr erfolgreichen Kampagne in Timmendorfer Strand.


Für jedes Thema brauchen wir als „Eyecatcher“ zunächst einen einprägsamen, griffigen oder witzigen Slogan (Hunke von der Brücke).


Der Slogan wird durch einen Subtext (Die Seeschlösschenbrücke gehört uns allen!) erläutert.


Drei Punkte tragen unsere Programmatik: der Status, die Selbstverständlichkeit (die Seebrücken sind für uns und unsere Gäste da. Sie müssen jederzeit für jedermann frei zugänglich sein.), das Problem (Doch Investoren und Sponsoren greifen nach der Verfügungsgewalt – Jürgen Hunkes Aktivitäten lassen grüßen.) und die Lösung (Wir werden uns für die schnelle Fertigstellung des Brückenkopfes der Seeschlösschenbrücke durch die Gemeinde einsetzen. Denn diese Brücke gehört uns allen!).


Die Visualisierung (Plakate, Flyer & Co.)

Eine weitere Besonderheit unserer Kampagne ist die Art der Vermittlung der knappen Inhalte an den Bürger.


Dazu ist das „Dach“ unserer Kampagne ein zentraler Slogan, der immer der inhaltlichen Botschaft auf allen Werbeträgern vorangestellt wird. Dieser Slogan muss für uns typisch sein (Wir sind Timmendorfer Strand).


Unverzichtbar für die Wiedererkennung unserer Kampagne ist die Corporate Identity („CI“). Elemente der CI sind gleicher Schrifttyp, gleiche Farbe, gleiche Symbole, gleiche Formate, gleiche Sprachmelodie, gleicher Textaufbau....


Für die Entwicklung dieser CI und, damit die Elemente der CI konsequent in der gesamten Kampagne eingehalten werden, sollten wir uns unbedingt professioneller Hilfe bedienen.

Als Träger für unsere Botschaften benutzen wir Plakate (DIN A 0) – auch mit freien Flächen für Textbausteine -, Kampagnenbriefpapier ( für Zielgruppenbriefe), Flyer (für den Infostand und zur Hausverteilung – Kandidatenflyer in den einzelnen Wahlkreisen und Schlussflyer flächendeckend in der ganzen Gemeinde) und für die Kandidaten persönliche Pledgecards (für die Hausbesuche). Als Highlight für unsere Kampagne erzeugen Großflächenplakate eine besondere Aufmerksamkeit beim Wähler.


Besondere Aktionsformen

Im Straßenwahlkampf benötigen wir andere Aktionsformen als die üblichen Infostände. Der Tapetentisch ist megaout! Unsere Kampagnenaktionen hingegen sollen unsere Themen sichtbar und den Bürger neugierig machen und im Idealfall zum „mitmachen“ anregen.

Wolfgang Nafroth hat in seiner Broschüre „Themen zum Thema machen” viele gute Beispiele aufgezeigt.


Kontakte

Wenn Ihr mehr über diese neuen Inhalte und Form der Kampagne wissen wollt:

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